Fellstrukturen
– nicht nur kurz und lang…
Dieses Kapitel soll als Entscheidungshilfe dienen, ob und wann es ratsam ist, einen Termin mit dem Hundefriseur zu vereinbaren und vor allen Dingen, was speziell am Fell Ihres Hundes gemacht bzw. eben auf gar keinen Fall gemacht werden sollte.
Alle Angaben beziehen sich auf gesunde Tiere.
Ein geschwächter Organismus kann auch das Haarkleid irgendwann nicht mehr optimal ausbilden.
An Grundstrukturen unterscheiden wir erstmal in:
Kurzhaar
Drahthaar (Stichelhaar) und Rauhaar
Stockhaar (kurz und lang)
Langhaar und
Glatthaar.
Bei allen Fellstrukturen gibt es Rassen mit viel oder wenig, mit kurzer oder langer oder mit besonders dichter Unterwolle.
Hütehunde haben z. B. generell eine lange und dichte Unterwolle. Rauhaarige Hunde haben generell eine sehr kurze Unterwolle von guter Dichte.
An erster Stelle steht jedoch die Zucht und die damit verbundene Genetik. Nicht jeder Züchter verfügt über ein wirklich fundiertes Wissen und ist sich der Verantwortung bewusst, die genetische Basis für die nächste Generation zu liefern.
Wird mit „schlechten Genen“ weiter gezüchtet, verstärken sich die Defizite in der nächsten Generation.
So gibt es innerhalb einer jeden Rasse gravierende Unterschiede bei der Unterwolle wie beim Deckhaar.
Bei Mischlingen sind alle Varianten und Mischformen möglich.
Auch innerhalb eines Wurfs können vollkommen unterschiedliche (Misch-)Felltypen vorhanden sein.
Typisches Mischfell – regelmäßiges Scheren ist meistens die beste Alternative.
Kurzhaarige Hunde bringen eine beachtliche Haarflut ins Haus. Das liegt an dem Umstand, dass Kurzhaar nur eine sehr kurze Lebensdauer hat (ca. 6 – 12 Wochen) und danach einfach ausfällt. Ein ständiger Erneuerungsprozess also.
Auch gibt es zahlreiche kurzhaarige Hunde, die zusätzlich recht üppige Unterwolle bilden. Um das Aufkommen dieser abgelebten Haare einzudämmen, empfiehlt sich ein Fellpflegehandschuh aus Gummi oder ein Gummistriegel. Optimal aus Naturkautschuk / Weichgummi. Alternativ funktioniert vielleicht auch eine Bürste mit reinen Naturborsten oder eine Zupfbürste.
Ob Handschuh, Naturborste oder Zupfbürste. In erster Linie ist die Qualität des Werkzeugs für das erzielte Ergebnis entscheidend. Ein Gummi ohne „klebende“ Eigenschaft (wie z. B. Hartgummi oder synthetisch hergestellte Gummimischungen) oder eine Zupfbürste, die so hart ist, dass Sie beim Kämmen schmerzt, sparen Sie sich besser. Wenn Sie sich nicht sicher sind, sollten Sie sich auf jeden Fall in einem kompetenten Hundesalon beraten lassen.
Zweimal jährlich zum Ende des Fellwechsels ein gründliches Bad, bei dem das Fell gut durchmassiert wird, schafft ebenfalls mal wieder Abhilfe. Fönen ist kein Muss, wenn das Tier anschließend in der Sonne trocknen kann. Bei kühleren Temperaturen sollten aber auf jeden Fall empfindliche Stellen (Nieren, Hals, Brust, Ohren) mit nicht zu heißer Temperatur trocken gefönt werden. Auch entfernt man beim Fönen mit gleichzeitigem Kämmen (Zupfbürste) noch reichlich Restwolle. Vorsichtshalber sei noch erwähnt, dass der Gehörgang kein Gebläse verträgt.
Auf gar keinen Fall sollte ein kurzhaariger Hund geschoren werden. Die Fellstruktur des Deckhaares verändert sich und wird weich, plüschig und kümmerlich und dadurch auch wesentlich schmutzanfälliger. Vorhandene Unterwolle verkümmert gleichfalls in der Struktur und beginnt zu wuchern. Farben (rot, braun und schwarz) werden wässrig.
Mit diesen Fellveränderungen geht dem Tier jeglicher Schutz seiner Haut verloren, so dass man sich in absehbarer Zeit auf gesundheitliche Probleme einstellen muss.
Jack Russell Kurzhaar
Stockhaarige Hunde wie z. B. Labradore, Schäferhunde, Schlittenhunde, Spitze oder Collies wie auch Mischlinge entsprechender Rassen tragen eine besonders dichte Unterwolle unter dem harschen Deckhaar (Grannenhaar). Außerdem durchlaufen diese Tiere im Frühjahr und Herbst einen mehrwöchigen Fellwechsel und berieseln in dieser Zeit die gesamte Wohnung reichlich mit Fellflocken.
Auch Stockhaar hat nur eine kurze Lebensdauer (etwa 1 Monat pro cm Haarlänge) und fällt anschließend aus. Neue Haare wachsen ständig nach. Ein Stockhaar sollte wöchentlich (während des Fellwechsels häufiger) gründlich bis auf die Haut mit einem Striegel (Entwirrungsharke) vorgekämmt und anschließend mit einem feinen oder mittelfeinen Kamm nachgekämmt werden. Bei besonders dichter Unterwolle empfiehlt sich anstelle des Striegels auch ein spezieller Entfilzer (MatRemover).
Das Scheren eines stockhaarigen Hundes ist mit dem Risiko etwaiger Fellveränderungen verbunden.
Es kommt vor, dass das Fell erstmal unregelmäßig nachwächst, was sich im Regelfall nach der 2. – 3. Schur wieder normalisiert, sofern der zeitliche Abstand zwischen den Schuren nicht zu lang ist. Auch besteht ein gewisses Risiko, dass ein geschorenes Stockhaar in der Fellstruktur (Deckhaar) weicher und wattiger wird.
Zuletzt sollte man sich noch darauf einstellen, dass die Unterwolle durch das regelmäßige Scheren in einem schleichenden Prozess gerne mächtiger wird, was natürlich weniger wichtig ist, wenn man dann dauerhaft dabei bleibt.
Das Scheren entbindet den Besitzer auch nur teilweise vom Kämmen. Ist die Unterwolle zu sehr verdichtet, kommt nur noch eine Kurzhaarfrisur in Frage, womit allerdings das „Haarproblem“ schlagartig beseitigt ist. Auch das Kämmen entfällt für die nächsten Wochen ganz, sollte aber mit nachwachsendem Fell wieder auf den Stundenplan gehören. Farben werden zur Fellspitze hin immer intensiver, so dass ein Stockhaar geschoren auch eine farbliche Blässe mit sich bringt, die mit nachwachsendem Fell wieder auffrischt.
Viele Hundebesitzer sind von der Methode, ihr Stockhaar 3 – 4 x im Jahr scheren zu lassen, begeistert. Und bei den meisten wächst das Deckhaar auch original wieder nach.
Solange Sie Ihrem Stockhaar problemlos die Unterwolle auf ein moderates Maß ausbürsten können und das Tier auch im Sommer wenigstens bis etwa 25 ° C im Schatten vital und aktiv bleibt, besteht keine Notwendigkeit, über eine Schur nachzudenken.
Rauhaarige (wie auch drahthaarige) Hunde wie z.B. Rauhaardackel, Schnauzer oder die rauhaarigen Terrier wie Fox-, Welsh- und Airedale haben ein harsches, borstiges Deckhaar, welches eng und glatt am Körper anliegt. Auch bei diesen empfiehlt sich für die häusliche Pflege der schon bei den Kurzhaarigen beschriebene Gummistriegel (die nächsten Wochen nach dem Trimmen) und bei wieder länger nachgewachsenem Deckhaar ein feiner oder mittelfeiner Kamm um lose, juckende Deckhaare und abgelebte Unterwolle auszukämmen. Ansonsten gehört ein rauhaariger Hund regelmäßig fachgerecht getrimmt (gezupft).
Rauhaarige Hunde haben im Regelfall 1 – 2 Schichten Deckhaar und darunter eine Schicht relativ kurze Unterwolle. Wenn das Deckhaar reif ist (also abgelebt), sitzt es locker in der Haut, fällt teilweise aus und juckt den Hund gewaltig.
Außer an dem Umstand, dass Sie wesentlich vermehrt die ausgefallenen Haare in der Wohnung finden, merken Sie es auch daran, das das Tier sich jetzt gerne überall scheuert und versucht, diese Haare loszuwerden. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, dieses überschüssige Fell ggfs. bis auf die Unterwolle zu zupfen.
Ein Rauhaar sollte man auf gar keinen Fall scheren oder schneiden. Mit Schere genau so wenig wie mit Schermaschine oder sonst einem mit Klinge ausgestatteten Werkzeug (wie z.B. Coat King oder Furminator).
Nicht nur, dass die Fellstruktur meistens schon nach einmaligem Schneiden weich und wellig bis sogar lockig wird, sie verkümmert auch. Ebenso wird die Unterwolle kümmerlich und beginnt als lange, dünne und leblose Fasern zu wuchern. Die Farben werden wässrig. So endet ein kerniger Rauhaardackel gern als farblose Teppichrolle, der Pfeffer-Salz Schnauzer mit festem, anliegenden Deckhaar läuft silbergrau und plüschig durchs Leben und die lohfarbenen Abzeichen der Terrier sind allenfalls noch blass sandfarben.
Bei solchen Fellveränderungen geht jeglicher Schutz für die Haut verloren. Es entstehen kahle Stellen, die sich immer weiter ausbreiten. Diese Veränderungen lassen sich nur selten durch mühsames und sorgfältiges Trimmen wieder herstellen. Ausführliche Informationen zum trimmen finden Sie auch auf der Seite Trimmen .
Hin und wieder gibt es Ausnahmen, die trotz Scheren ursprünglich wieder nachwachsen.
Weiße Terrier und schwarze Schnauzer tragen im Regelfall keine Farbveränderungen davon. Langfristig zeigt sich aber auch beim schwarzen Schnauzer zumindest an den Beinen ein weicher, formloser Behang mit einem leichten Silberschimmer.
Norwich Terrier Lena wurde früher nicht ganz fachgerecht getrimmt sondern an Kopf, Brust und Beinen auch geschnitten.
Die Fellveränderungen sind recht deutlich zu erkennen und nur in einem langwierigen Trimmprozess wieder herzustellen.
Die Pflege langhaariger Hunde kann sehr aufwendig sein. Während bei stockhaarigen Hunden wöchentliches Kämmen oder gründliches Bürsten ausreicht, ist bei langhaarigen und wolligen Hunden oft tägliches und sehr gründliches Kämmen erforderlich.
Langhaarige Rassen mit weichem Fell und viel Unterwolle wie Bearded Collie, Tibet Terrier, Briard oder Neufundländer oder auch kleinere Rassen wie Lhasa Apso oder die vielen Bichons und natürlich all die Mischlinge solcher Rassen bilden am Haaransatz beginnend eine immer dichter werdende Filzschicht (Unterwolle) und das Kämmen solcher Hunde ist recht mühsam – für das Tier genau so wie für den Besitzer.
Mit entscheidend ist die genetisch mitgegebene Fellstruktur des einzelnen Tieres. Längst nicht jeder Hund hat das gewünschte harsche Deckhaar, das der Rassestandard vorschreibt und das für ein leichteres kämmen und besseres Ergebnis doch so wichtig ist. Hat ein solches Tier nicht nur üppige Unterwolle sondern auch ein weiches Deckhaar, verfilzt es noch viel schneller als normal und erstickt regelrecht in seiner Wolle. An diesem Punkt sollte sich der jeweilige Besitzer ruhig die Frage stellen, ob ihm und seinem Tier mit einer hübschen Kurzhaarfrisur nicht besser geholfen ist.
Auch möchte ich an dieser Stelle mit einer weit verbreiteten „Weisheit“ aufräumen, dass Unterwolle im Winter warm und im Sommer kühl sein soll. In diesem Zusammenhang verbreiten sich gerne Begriffe wie „Thermoskanne“, „Hohlfaser“, „Isolier-Effekt“ oder ähnliches. Seit wann, bitteschön, ist ein zugeknöpfter Pelzmantel im Sommer kühl???
Nachdem ich im Lauf der Jahre unzähligen solcher Hunde wenigstens im Sommer eben diesen Pelzmantel „ausgezogen“ habe und dankbare Besitzer mir immer wieder freudig erzählen, dass der Hund, der vorher eine kühle Fliese nach der anderen gesucht hat jetzt wie ein junges Reh im Garten umherspringt, halte ich diese in sich schon unlogische Aussage für eine reine Marketing-Idee für die Vermarktung langhaariger und wolliger Rassen.
Auch wird gerne darauf verwiesen, dass Hunde nur unter den Pfoten und über die Zunge schwitzen und am Körper gar keine Schweißdrüsen haben. Genau da liegt dann vielleicht auch das Problem. Der Hitzestau entsteht am Körper unter dem mächtigen Fell und die Tiere können sich noch nicht mal mit schwitzen runterkühlen. Mal ganz abgesehen davon, dass die heutigen Fellvarianten fast ausschließlich von Menschenhand gezüchtet und nicht von Mutter Natur geschaffen wurden und vor allem nicht auf das Leben in beheizten Wohnungen ausgerichtet sind sondern für Schauzwecke.
Vereinfacht lässt sich sagen: wenn ein kleiner wolliger Hund mit wöchentlich 1 – max. 2 1/2 Stunden und ein großer wolliger Hund mit wöchentlich 2 – max. 3 1/2 Stunden kämmen dann wirklich gut gekämmt ist und das Tier auch bei wärmeren Temperaturen (wenigstens bis 25 ° C im Schatten) im Sommer noch gerne „Gassi“ geht, besteht sicher kein Anlass, ein schönes üppiges Haarkleid und eine imposante Erscheinung durch eine Schur zunichte zu machen.
Ist es dagegen ein ständiges Hinterher-Kämmen und wird die zumutbare Geduldsgrenze des Tieres dauernd überschritten, braucht man sich auch nicht über all die „schnappenden“ Hunde zu wundern. Nachdem sein Besitzer eine Flucht erfolgreich verhindert, bleibt dem Tier keine andere Möglichkeit als nach Kamm oder Hand zu schnappen, um (mit Recht) zum Ausdruck zu bringen, dass er von dieser Quälerei restlos die Nase voll hat.
Wer sich nicht sicher ist, sollte sich und seinem Liebling nicht ohne Hinterfragung die Verherrlichung des jeweiligen Rassestandards überstülpen lassen. Unterhalten Sie sich doch mal mit Hundebesitzern, die ihr Tier scheren lassen und fragen Sie sie, warum sie das ihrem Liebling „antun“.
Generell bleibt zu sagen:
Die Produktion von Unterwolle ist ein ständig stattfindender Prozess, so dass diese sich auch ständig am Tier befindet und dort auch hingehört. Es geht auf keinen Fall um die restlose Entfernung der Unterwolle – sondern nur von alter, abgelebter und/oder verknoteter Unterwolle.
Wichtig ist natürlich auch das richtige Werkzeug. Nur mit einem Striegel oder nur mit einer Zupfbürste und auch mit beidem kann ein langhaariger wolliger Hund nicht unbedingt bis auf die Haut gekämmt werden. Der Striegel ist zu grob und deshalb zum Vorkämmen und Auflockern der filzenden Unterwolle. Sofern die Zupfbürste weich genug ist, kann auch mit dieser einiges erreicht werden. Besonders, wenn das Fell in dünnen Lagen gekämmt wird.
Optimal funktioniert das Kämmen der Langhaarigen so:
Vorkämmen mit einem Striegel. Danach mit einem mittelfeinen (bei sehr feinem Deckhaar auch mit einem feinen) Kamm die aufgelockerten Reste auskämmen. Eine Zupfbürste ist auch sinnvoll und stellenweise effektiver als der Kamm. Einfach ausprobieren. Und an besonders verdichteten Stellen, wo Striegel und Kamm hängen bleiben, sollte auf jeden Fall erst ein spezieller Entfilzer (MatRemover) zum Einsatz kommen, der die Knoten unter dem Deckhaar aufschneidet und so die Prozedur für das Tier doch wesentlich angenehmer gestaltet.
Wichtig ist der fachgerechte Umgang mit einem solchen Werkzeug, damit das Deckhaar nicht beschädigt wird. Gut gekämmt ist Ihr Hausgenosse, wenn Sie mit gespreizten Fingern lang durch das Fell streichen und bis auf die Haut fühlen können, ohne in Filzsträhnen hängen zu bleiben.
Bearded Collie fawn Kenny